Noch nie gestaltete sich der Auftrag zur Regierungsbildung derart knifflig

21.12.2017

Die FDP hat die Sondierungsgespräche am Sonntag, den 19. November 2017 verlassen. Von einem Reformprojekt war ein mögliches Jamaika-Bündnis weit entfernt.

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gestaltete sich der Auftrag zur Regierungsbildung derart knifflig, wie nach der Bundestagswahl am 24. September 2017. Noch am Wahlabend schloss der bisherige Koalitionspartner, die SPD, eine Neuauflage der Großen Koalition aus. Sodann oblag es CDU, FDP, Grünen und CSU auszuloten, wo es trotz unterschiedlicher Wähleraufträge eine Basis für eine stabile Regierung geben könnte

Allen Gesprächspartnern war klar, dass Kompromisse von allen Seiten erforderlich sind. Nicht verhandelbar waren für die Freien Demokraten allerdings Trendwenden, die das Land in den Bereichen Bildung, Einwanderung, Entlastung und Europa nach vorne bringen. Am Ende der Verhandlungsrunden lag jedoch allenfalls ein „Weiter so“ auf dem Tisch. Von einem Reformprojekt war ein mögliches Jamaika-Bündnis weit entfernt. Die FDP hat daher die Sondierungsgespräche am 19. November 2017 verlassen.

Die Freien Demokraten glauben, dass es anders geht. Sie machen Politik, von der sie überzeugt sind. Von dem Sondierungsstand nach wochenlangen Gesprächen waren sie es nicht.

Eine weltbeste Bildung, durch die jeder selbstbestimmt seine Zukunft gestalten kann, kann nur durch eine Modernisierung des Bildungssystems und unserer Bildungseinrichtungen erreicht werden. In den Sondierungsrunden wurde die Forderung der FDP nach einer Reform des Bildungsföderalismus abgelehnt. Andere Maßnahmen gingen über den Kurs der Großen Koalition nicht hinaus.

Die FDP setzt sich für eine spürbare Entlastung der Bürger ein. Mit dem Ziel der Abschaffung des Solidaritätszuschlages in der laufenden Legislaturperiode konnte sich die FDP bei den Gesprächen nicht durchsetzen. Bei der Forderung nach einer Entlastung im Umfang von 30 bis 40 Milliarden Euro war die FDP kompromissbereit. Die anderen Parteien sprachen stattdessen über dutzende Milliarden Euro an Mehrbelastung.

Eine Trendwende bei der Zuwanderung wollen die Freien Demokraten über eine Steuerung und klare Regeln erreichen. Nach wochenlangem Ringen lag ein Kompromissangebot vor, wonach der Familiennachzug für zwei weitere Jahre ausgesetzt werden sollte, verbunden mit einer Härtefallregelung und der Schaffung eines Einwanderungsgesetzes mit Punktesystem. Die FDP hätte diesen Kompromiss mitgetragen. Die Grünen lehnten ihn ab.

In der Energiepolitik wollen die Freien Demokraten Versorgungssicherheit und bezahlbare Energiepreise in Einklang mit dem Klimaschutz bringen. Physikalische Realitäten sollte die Politik nicht ignorieren. Doch eine vernünftige Energiepolitik, die etwa das planwirtschaftliche Dauersubventionierungssystem nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für Neuanlagen beendet hätte, war in einer Jamaika-Konstellation nicht zu machen.

Auch Europa geht anders: Mit klaren Regeln und konzentriert auf europäische Lösungen dort, wo es sinnvoll ist: beim Datenschutz, dem Energiebinnenmarkt oder bei der Verteidigung. Die Freien Demokraten wollen keine dauerhafte Transferunion, sondern die finanzpolitische Eigenständigkeit und Verantwortung der Mitgliedstaaten stärken. Anders als die Grünen will die FDP keine weiteren Budgets für Finanztransfers in Europa. Politik muss Zukunft gestalten. Wir Freie Demokraten wollen sie digital gestalten. In Deutschland müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, damit jeder die Chancen des digitalen Fortschritts ergreifen kann. Als Tempomacher fordert die FDP ein Digitalministerium. Hier konnte in den Sondierungsgesprächen kein Durchbruch erzielt werden.

Am Ende der Sondierungsgespräche war ein Politikwechsel nicht in Sicht, stattdessen 237 eckige Klammern mit offenen, teils strittigen Punkten. Da ist es besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.

 

Nicole Kieser Pressesprecherin der FDP

Fdp plus 4/2017